In diesem Zusammenhang stellen sich unterschiedliche steuerrechtliche und rechtliche Fragen. Hierzu wird seitens der zuständigen Ministerien und Behörden kommuniziert, dass
- ein BMF-Schreiben zur Umsatzsteuersenkung ergehen und
- dieses BMF-Schreiben auf den Grundsätzen der letzten Umsatzsteuererhöhung (01.01.2007) aufbauen
wird (Das alte BMF-Schreiben vom 11.08.2006 haben wir als Anlage beigefügt.).
Der VKU und der BDEW haben zwischenzeitlich mit Blick auf die konkrete Umsetzung der Umsatzsteuersenkung folgende Themenbereiche an das Bundesfinanzministerium adressiert:
- Handhabung des Steuersatzes für Abschlagszahlungen,
- Weitergabe der Steuersenkung unabhängig vom Ablesezeitpunkt,
- Nichtbeanstandungsregelungen bei unvermeidlichen Umstellungsfehlern,
- Vereinfachungsregelungen zur Rechnungsberichtigung.
Der Fachbeirat Eigenbetriebe und kommunale Unternehmen Rheinland-Pfalz hat zur Umsatzsteuer in der Wasserversorgung Hinweise zur temporären Absenkung der Umsatzsteuersätze im 2. Halbjahr 2020 gegeben (siehe nachstehenden Link):
www.kosdirekt.de/kosdirekt/werkeDirekt/Unternehmen/Steuerfragen/Umsatzsteuersenkung%20Juli%202020/
Im Weiteren haben wir auf der Grundlage der vorstehenden Verlautbarungen eine vorläufige eigene Einschätzung für die Umsetzungsaspekte der Umsatzsteuersenkung im Bereich der Wasser- und Energieversorgung vorgenommen.
Lieferung von Wasser, Strom, Gas etc. an Entgeltschuldner/Tarifkunden per Jahresverbrauchsabrechnung
Hier gilt weiterhin die Leistung mit Ablesung als erbracht!
Abschnitt 13.1 Abs. 2 S. 4 und 5 Umsatzsteuer-Anwendungserlass ( UStAE) sieht folgende Regelung vor:
„Lieferungen von Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Wasser sind jedoch erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt zu behandeln. 5Die während des Ablesezeitraums geleisteten Abschlagszahlungen der Tarifabnehmer sind nicht als Entgelt für Teilleistungen (vgl. Abschnitt 13.4) anzusehen; sie führen jedoch bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums ihrer Vereinnahmung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG zur Entstehung der Steuer (vgl. Abschnitt 13.5).“
Eine Zählerablesung an einem beliebigen Tag zwischen dem 01.07. und 31.12.2020 würde demnach bewirken, dass der gesamte abgelesene Verbrauch seit der letzten Ablesung mit dem dann aktuellen Steuersatz zu belegen ist. Demnach ist der Gesamtverbrauch im Rahmen der Jahresverbrauchsabrechnung mit 5 % (Wasser) bzw. 16 % zu versteuern. Die Umsatzsteuer auf die bereits vereinnahmten Abschläge wird in der Jahresabrechnung somit korrigiert.
HINWEIS: Sofern Sie die Ablesung der Kunden/Entgeltschuldner erst am 01.01.2021 vornehmen, wäre formal der abgelesene Gesamtverbrauch wieder mit 7 % bzw. 19 % zu versteuern, da nach derzeitiger angedachter Rechtssetzung die befristete Steuersenkung zum 31.12.2020 ausläuft.
Ausweg: Im BMF-Schreiben vom 11.08.2006 wurde in Tz. 34 auch die Möglichkeit einer zeitlichen Gewichtung des Verbrauchs und einer entsprechenden Abrechnung eröffnet (siehe nachfolgender Gliederungspunkt). Inwiefern sich diese Thematik im erwarteten BMF-Schreiben wiederfinden lässt, bleibt abzuwarten.
Ist die Gewichtung des Verbrauchs nötig bzw. ist eine Zwischenablesung nötig?
Die Tz. 34 des o. g. und in der Anlage beigefügten BMF-Schreibens zur Erhöhung der Umsatzsteuer zum 01.01.2007 besagt, dass die Abrechnung mit dem Kunden in Übereinstimmung mit den Lieferbedingungen so erfolgen kann, dass der Verbrauch nach Tagen gewichtet wird für die Gültigkeitsdauer des jeweiligen Steuersatzes. So konnte beispielweise bei einer Zählerablesung zum 01.04.2007 der Ablesezeitraum so aufgeteilt werden, dass nur für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2007 der höhere Steuersatz zugrunde gelegt werden musste. Eine solche Regelung war eine „Kann-Vorschrift“, die gerne bemüht wurde, um eine Teilmenge des abgelesenen Verbrauchs mit dem geringeren Steuersatz abzurechnen, obwohl dieser Steuersatz bei Ablesung erhöht war. Nunmehr sind andere Vorzeichen zu beachten. Der Steuersatz wird gesenkt, die Minderung erfolgt zu Gunsten der Entgeltschuldner/Kunden. Hinsichtlich der Gewichtungsthematik bei Ausgestaltung der Entgelte z. B. in Form der Erhebung einer Benutzungs- und Grundgebühr verbunden mit einem wiederkehrenden Beitrag verweisen wir auf die o. g. Ausführungen des Fachbeirates.
Vorausleistungen/Abschlagszahlungen auf o.g. Lieferungen an Entgeltschuldner/Tarifkunden:
Hier stellt sich das Problem des ungerechtfertigten Ausweises von Umsatzsteuer (§ 14c UStG), wenn die Entgeltschuldner/Kunden nach wie vor ab Juli 2020 Vorausleistungen/Abschläge inklusive der Umsatzsteuer in Höhe von 19 % / 7 % bezahlen. Formal wären also alle Vorausleistungsbescheide/Abschläge neu und mit aktuellen Steuersätzen zu berechnen und zu versenden. Es bleibt die Hoffnung auf eine Regelung im zukünftigen BMF-Schreiben dergestalt, die derzeitigen Vorauszahlungen beibehalten zu können. Im Falle einer solchen Umsetzungshilfe müsste aus den erhaltenen Vorausleistungen/Abschlägen dann allerdings u. E. 19 % bzw. 7 % Umsatzsteuer ab Juli 2020 herausgerechnet und als Teilzahlung versteuert werden, da die höheren Steuersätze in den Vorausleistungsbescheiden offen ausgewiesen wurden. Im Rahmen der Jahresverbrauchsabrechnung würden dann die Teilzahlungen (mit 19 % bzw. 7 % besteuert) mit der Abrechnung (16 % bzw. 5 %) verrechnet werden, sodass die Besteuerung des abgelesenen Verbrauchs vollständig mit den reduzierten Steuersätzen erfolgt. Maßgebend ist aber die Ablesung des Verbrauchs in einem Zeitraum zwischen dem 01.07.2020 ab 0:00 Uhr und dem 31.12.2020 bis 24:00 Uhr.
Sonderabnehmer mit Fernablesung und Leistungspreisen:
Im Strombereich sind teilweise auch fernabgelesene, meist Sondervertragskunden anzutreffen, die neben einem Arbeitspreis auch einen Leistungspreis vereinbart haben, der sich nach der Spitzenlast berechnet. Da diese Sondervertragskunden meist monatlich per Fernablesung abgelesen und abgerechnet werden, ist in diesen Fällen mit jeder Abrechnung aufgrund eines abgelesen Verbrauchs eine Lieferung erbracht und die Umsatzsteuer insofern entstanden. Bei einer Fernablesung des Verbrauchs des Juni 2020 am 01.07.2020 um beispielsweise 0:10 Uhr, würde bereits der gesamte Verbrauch des Monats Juni als im Juli geliefert anzusehen und damit zum Steuersatz von 16 % abzurechnen sein. Nicht selten liegen die Spitzenlastzeiten bei derartigen Sondervertragskunden aber im November/Dezember. Die meisten Preismodelle sehen dann eine Nachberechnung der Spitzenlast für das gesamte Jahr vor, da sich die vorzuhaltende Spitzenlast geändert hat. Unseres Erachtens ist in der nachträglichen Erhöhung der Spitzenlast aber keine erneute Abrechnung zu sehen, sondern die Anpassung des Entgelts für die bereits erbrachte Lieferung von Elektrizität. Demnach wäre im obigen Beispiel die Abrechnung für Juni auf Basis der (Fern-)Ablesung im Juli nach wie vor mit 16 % und einem um den höheren Leistungspreis erhöhten Entgelt zu erstellen. Alle Abrechnungen, deren Ablesungen vor dem 01.07.2020 datieren, müssten folgerichtig weiterhin mit 19% Umsatzsteuer bei einer gestiegenen Bemessungsgrundlage abgerechnet werden.
Veröffentlichung der Entgelte / Prüfung der Verträge / Sonderkündigungsrecht
Des Weiteren sind die „Rahmenbedingungen“ der Versorgung zu prüfen: Hier sind Satzungen, Allgemeine Versorgungsbedingungen (AVB) und Verträge dahingehend zu prüfen, ob die Umsatzsteuer als fester Prozentsatz angegeben ist. In diesem Fall besteht ein konkreter Anpassungsbedarf.
Ist eine Beibehaltung des Bruttopreises angedacht, kommt dies u. E. einer Netto-Preiserhöhung gleich, da die niedrigere Umsatzsteuer aus dem bisherigen Bruttobetrag herauszurechnen ist. Eine derartige Erhöhung der Entgelte unterliegt nach unserem Verständnis einem Gremienvorbehalt und ist kein Geschäft der laufenden Betriebs-/Geschäftsführung.
Wenn der bisherige Nettopreis beibehalten werden soll und lediglich der verminderte Umsatzsteuersatz aufgeschlagen werden soll, handelt es sich bei dieser schlichten Weitergabe des verminderten Umsatzsteuersatzes nach unserer vorläufigen Einschätzung nicht um eine Preisänderung im Sinne von §§ 5 Abs. 2 und 3, 5a StromGVV/GasGVV, § 41 Abs. 3 EnWG sowie §§ 4 Abs. 2 AVB-WasserV/AVB-FernwärmeV. In der Energieversorgung steht grundsätzlich den Kunden bei Beibehaltung des Nettopreises daher auch kein Sonderkündigungsrecht zum Zeitpunkt der Änderung des Umsatzsteuersatzes zu.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die festgesetzten Entgelte nach der Preisangabenverordnung als „Netto“ und „Brutto-Preis“ in der Satzung/den Preisblättern zu veröffentlichen sind. Sofern also z. B. öffentlich-rechtliche Entgelte erhoben werden, ist eine Veröffentlichung der Entgelte mit den dann gültigen Umsatzsteuersätzen und den daraus zu ermittelnden Brutto-Preisen ab 01.07.2020 ortsüblich und satzungsgerecht (Sätze werden in Haushaltssatzung festgelegt) vorzunehmen. Im Bereich der AVB-Gas, Strom, Wasser, Fernwärme ist nach Ansicht des VKU eine Veröffentlichung der Preisblätter auf der Internetseite ausreichend.
Chancen aus der Minderung der Umsatzsteuer/Gestaltungen im hoheitlichen Bereich
Durch die temporäre Absenkung der Umsatzsteuersätze können sich im „hoheitlichen Bereich“ Umsatzsteuersparpotentiale ergeben, wenn eine Abnahme (= Teil-Leistungserbringung) erst nach dem 30.06.2020 durchführt wird. Maßgeblich ist immer der Zeitpunkt der Lieferung und Leistung. Das gilt zudem u. a. für geplante Bauvorhaben, bei denen sich Teilleistungen und Abnahmen für den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2020 vereinbaren lassen. In diesen Fällen werden die Leistungen mit 16 % Umsatzsteuer abgerechnet.
Zeichnen sich belastbare Aussagen seitens des BMF ab, werden wir Sie zeitnah informieren.
Für Rückfragen zögern Sie bitte nicht, uns anzusprechen.